„Pro Pinball: Timeshock“, „3-D Ultra Pinball“,…es existieren im Videospieleuniversum viele Vertreter des Flipper-Genres, doch keines kennt man so gut wie das vorinstallierte Pinball vom Betriebssystem „Windows“ von Microsoft. Allerdings verbirgt sich hinter dem Spiel mehr Geschichte als man denkt.
An echte Flippertische kommt bekanntermaßen nichts virtuelles ran, auch wenn es sehr gute Spiele gibt, die real existierende Tische emulieren können. Bei den Videospielen wird man mit den unterschiedlichsten Varianten davon konfrontiert, von etwas doof bis ziemlich gut. Da denkt man an Spiele wie „Epic Pinball“ (Epic MegaGames, 1993), „3-D Ultra Pinball“ (Sierra, 1995) oder „Pro Pinball: Timeshock!“ (Empire Interactive, 1997).
Und dann gibt es noch „3D Pinball Space Cadet“, welches man wohl am meisten kennen wird. So nannte sich das Spiel, welches man über den unscheinbaren Namen „Pinball“ über das Startmenü von sämtlichen Windows-Betriebssystemen erreichen konnte. Man muss auch zugeben, dass es neben den sonst vom Betriebssystem mitgelieferten Spielen wie „Solitär“ oder „Minesweeper“ sich sehr von der Masse abhebt.
Die wenigsten kennen die Vorgeschichte. Wenn man sich den Tisch genauer ansieht, wird man unten zwei Namen erkennen: „Cinematronics“ und „Maxis“. Ausgerechnet die Macher von „Sim City“ entpuppen sich bei diesem Pinball-Spiel als die Publisher, während „Cinematronics“ das Spiel an sich entwickelt hat. Der Entwickler ist im Gegensatz zum Publisher ein ziemlicher unbekannter, das einzige, was diese Firma entwickelt hat, wovon man vielleicht schon mal gehört hat, ist das Golfspiel „Jack Nicklaus 4“ im Jahr 1997. Die Firma wurde letzten Endes von Maxis im Jahr 1996 übernommen, die wiederum 1997 von Electronic Arts übernommen wurden.
Viele vertreten die Meinung, das Pinball-Spiel existiere erst seit dem 2001 erschienenen Betriebssystem „Windows XP“. Fakt ist, bei „Windows XP“ hatte man das letzte Mal die Möglichkeit, es mit zu installieren. Der älteste bekannte Prototyp des Spiels erschien am 26. April 1995, hieß intern „Test Table“ und wurde äußerlich noch „Maelstorm“ genannt. Hier entsprach das Layout bereits dem Endprodukt, während die Sounds und besonders die Farben noch anders waren. Das fertige Endprodukt erschien mit „Microsoft Plus! für Windows 95“ ungefähr zum Release von „Windows 95“ am 24. August 1995.
Nach einem Splashscreen öffnet sich der Tisch mit dem Namen „3D Pinball Space Cadet“, begleitet von einem Typen in einem Weltraummobil. Ziel ist es, bei einem Science-Fiction-Abenteuer bei einer Raumpatrouille vom Kadetten zum Großadmiral aufzusteigen, indem man bestimmte Aufträge erfüllt. Dies erfolgt größtenteils durch das Treffen von angezeigten Zielen. Spielt man auf diese Art und Weise, sind 8- oder 9-stellige Punktzahlen keine Seltenheit mehr. Die meisten werden aber einfach so „geflippert“ haben.
Ende 1995 bzw. Anfang 1996 erschien „Pinball 95“ (in Amerika „Full Tilt! Pinball), welches nicht nur eine verbesserte Version des „Space Cadet“-Tisches enthielt, sondern noch zwei weitere mit dem Namen „Skulduggery“ und „Dragon’s Keep“. Bei „Skulduggery“ sucht man nach Peg Legs Beute, quasi nach einem Piratenschatz, wofür man verschiedene Spielmodi erfüllt oder eine Schatzkarte zusammenstellt. Bei „Dragon’s Keep“ muss man einen Drachen bezwingen, indem man verschiedene Wagnisse erfüllt oder das Schwert in den Drachen rammt. Der spielbarste Tisch wird aber weiterhin der „Space Cadet“-Tisch bleiben.
Besonders bei dem Tisch wird man einige Verbesserungen merken, so sind einige Vorgänge wie das Auftanken des Kraftstoffs vom Raumschiff, welches an einigen Stellen möglich ist (und sich durch die Meldung „Schiff aufgetankt“ bemerkbar macht), flüssiger, das Abschießen des Balls zu Beginn ist gefühlt flotter, aber das auffälligste ist die höhere Auflösung des Tischs. Alle Tische haben eine maximale Auflösung von 1024×768 Pixel. Aus heutiger Sicht wirken die Tische damit wie ein HD-Remake des Pinball-Spiels. Die von Microsoft beigelegte eingeschränkte Version wurde auf die niedrigste mit 640×480 Pixel belassen.
Das eingeschränkte „3D Pinball Space Cadet“ war bei den Windows-Versionen NT4, 2000, ME und XP mit dabei, sofern man alle Spiele mit installieren wollte. Microsoft legte bei „Windows 98“ eine Anleitung bei, wie man sich das Spiel beschaffen kann, hierbei musste allerdings eine Korrektur übers Internet nachgeliefert werden. Seit Windows Vista ist es nicht mehr mit dabei, man kann das Spiel dennoch problemlos im Intenet auffinden und auf neueren Systemen spielen, selbst unter 64-bit.
Doch das erweiterte „Pinball 95“ ist verdammt schwer aufzutreiben, selbst über Verkaufsportale wie eBay hat man fast keine Chance, ein Exemplar dieses Spiels zu ergattern. Die amerikanische Version „Full Tilt! Pinball“ hingegen kriegt man relativ leicht im Internet, ganz im Gegensatz zum Retail-Exemplar. Maxis veröffentlichte 1997 ein so genanntes „Family Pack“, wo bei den 4 Spielen auch „Pinball 95“ enthalten ist.
Das Spiel hinter dem unscheinbaren Namen „Pinball“ ist inzwischen zum Kult mutiert. Jeder kann sich an den langweiligen Computerunterricht erinnern, wo man dieses Flipperspiel mit Pseudo-3D-Grafik, abgespacter Optik und einem Wiederspiel-Faktor für das Totschlagen der Zeit bis zum Erbrechen gespielt hat. Aber auch ein Blick auf die verbesserte Variante und den beiden anderen Tischen lohnt sich, auch wenn diese von der Schwierigkeit her höher sind, aber eine ähnlich gute Abwechslung versprechen. Es gibt zwar deutlich bessere Pinball-Spiele, betrachtet man aber die sonst so mitgelieferten Spiele von Windows (Reversi, Solitär, Minesweeper, CANDY CRUSH!!,…), ist es eine willkommene Abwechslung.
Retro-Check: 3D Pinball Space Cadet,kepu beschäftigt sich auf seinem YouTube-Kanal "kepuexe" über die (PC-)Technik der vergangenen Jahrzehnte. Doch auch in schriftlicher Form ist er als freier Autor unterwegs. Er hat 16 Artikel geschrieben.
Schön das dieses Spiel auch für den GameBoyColor umgesetzt wurde.