
Stellt euch vor, ihr möchtet einen familienfreundlichen Platformer erschaffen, aber die Vorabversion wird von der Presse zerrissen. Aus einer Mischung aus gekränktem Stolz und dem Willen, es den Leuten zu beweisen, programmiert ihr euer Spiel kurzerhand um, um daraus alles, außer etwas familienfreundliches, zu machen. So oder so ähnlich ist das der Fall bei Conker’s Bad Fur Day. Das von Rare entwickelte Spiel begann als „Twelve Tales – Conker 64“, war unter diesem Titel auch als harmloser und familienfreundlicher Plattformer vorgesehen und wurde nach mehreren Designänderungen am Ende der Lebensspanne vom N64 im Jahr 2001 veröffentlicht. Das Endergebnis ist auf technischer und spielerischer Ebene interessant und beeindruckend.
Diese Review entsteht auf Basis der in Rare Replay enthaltenen und mit dem N64-Original identischen Version sowie dem Xbox Remaster „Live & Reloaded“.
Handlung
Conker, ein rothaariges Eichhörnchen, ist in einer Kneipe und betrinkt sich. Über das Telefon vertröstet er seine Freundin Berri, ein Chipmunk, dass es wohl heute wieder ein wenig länger bei ihm wird. Conker verläuft sich auf dem Weg nach Hause und versucht nun irgendwie wieder den Weg ins eigene Bett zu finden. Auf dem Heimweg laufen ihn allerlei skurriler Gestalten über den Weg, unter anderem ein Bienenkönig, der seine Frau für eine Sonnenblume mit großen Brüsten verlassen hat oder einen opernsingenden Haufen Kot.
Zur gleichen Zeit bricht beim milchtrinkenden und -liebenden König Panter ein Tischbein, wodurch er ein Glas seiner geliebten Milch verschüttet. Er beauftragt den Doktor seines Schlosses damit, nach einer Lösung zu finden, ohne das Klebeband benutzt werden muss. Die Lösung des Doktors: ein Eichhörnchen muss her! Von nun an wird Conker von dem König und seinen Schergen gejagt.
Gameplay
Conker steuert sich wie ein typischer 3D Platformer. Die Steuerung der N64 Version wurde dabei ganz gut auf den Xbox Controller übersetzt, allerdings ist es doch nervig, dass der rechte Stick invertiert ist ohne Möglichkeit, das zu ändern. Das bedeutet: möchte man die Kamera nach links drehen, muss der Stick nach rechts bewegt werden.
Conkers Lebensanzeige ist eine Tafel Schokolade mit sechs Stücken. In der Spielwelt sind einzelne Schokoladenstücke verteilt, mit denen er seine Gesundheit wieder auffüllen kann. Stirbt er, verliert er ein Leben. Neue Leben erhält Conker, indem er auf der Welt verteilte Eichhörnchenschwänze einsammelt.
Conker erklärt die Steuerung bei schwereren Abschnitten in Zwischensequenzen, indem er sich daran erinnert, welche Taste nun gedrückt werden muss. Da es sich bei Rare Replay um die N64 Version des Spiels handelt, spricht Conker auch von den Tasten des N64 Controllers, in den Sprechblasen der Zwischensequenzen wird jedoch die jeweilige Taste auf dem Xbox Controller eingeblendet.
Bleibt man stehen, kann man Conker nach einiger Zeit beobachten, wie er z.B. ein Heft liest, etwas trinkt und mit einem Gameboy spielt
Conker’s Bad Fur Day bietet hier und da kleinere Aufgaben, z.B. eine gewisse Anzahl von etwas von A nach B transportieren.
Das Spiel nimmt sich selbst nicht ernst und ein großer Teil des Humors wird über Filmanspielungen auf Titel wie Clockwork Orange, Die Zauberer von Oz, Matrix oder auch Der Soldat James Ryan transportiert. Der Humor des Spiels ist an sich äußerst schwarz und vulgär. An einigen Stellen war der Humor den Entwicklern zu schwarz, weswegen eine doch recht heftige Szene der Schere zum Opfer fiel. Eine weitere Szene mit einer deutlichen Anspielung an Pokémon in der Pikachu von einem Mafiaboss geschlagen wird, wurde wohl auf Drängen von Nintendo entfernt.
Laut Entwicklerangaben wurde sich nicht wirklich über eine Geschichte Gedanken gemacht, sondern mehr auf die Umsetzung einzelner Elemente geachtet, was sich auch deutlich im Spiel bemerkbar macht und man gespannt ist, was als nächstes passiert.
Freigespielte Kapitel können jederzeit im Hauptmenü ausgewählt werden. Die Kapitel sind in mehrere Akte unterteilt. Das Spiel bietet die Möglichkeit, drei Spielstände anzulegen.
Technik
Als eines der wenigen Spiele für den N64 setzt Conker’s Bad Fur Day auf eine 512 Mbit Cartridge, was die volle Ausnutzung der 64 MB an Spieldateien ermöglicht. Ein weiteres Spiel, welches so eine Cartridge benutzt, ist Resident Evil 2.
Das Spiel besitzt eine komplett englische Sprachausgabe (und Bildschirmtexte) sowie vertonte Zwischensequenzen, was für die Konsole eine echte Seltenheit ist.
Das Spiel wurde von nur drei Personen vertont: Louise Ridgeway für alle weiblichen Stimmen, Chris Seavor für alle männlichen Stimmen sowie Chris Marlow als Stimme von The Great Mighty Poo.
Das in der N64 Version vorhandene Intro, in welchem Conker das Logo der Konsole zersägt, ist aus lizenzrechtlichen Gründen nicht in Rare Replay übernommen worden. Schade eigentlich, da man sicherlich das N64-Logo durch das der Xbox hätte austauschen können und etwas ähnliches bereits mit einem Clip mit Conker und Banjo existiert.
Multiplayer
Conker’s Bad Fur Day bietet sieben verschiedene Multiplayer Modi: Total War, Beach, Raptor, Heist, Race, Tank, Deathmatch.
Modi wie Beach basieren teilweise auf Stellen aus dem Storymodus. Hier treten die Tediz gegen französische Eichhörnchen an.
Conker: Live & Reloaded
2005 erschien mit Conker: Live & Reloaded ein Remaster für die erste Xbox, welches Abwärtskompatibel mit Xbox 360 und Xbox One ist und zudem digital gekauft werden kann. Ursprünglich war das Ganze als Sequel mit dem Namen „Conker’s other Bad Fur Day“ für Nintendos Nachfolgekonsole – dem Gamecube – geplant. Nachdem Microsoft aber Rare übernommen hatte, wurde das Studio damit beauftragt, Bad Fur Day zu remastern. Das Remaster selbst sollte ursprünglich „Live & Uncut“ heißen.
Das Remaster fügt deutsche Bildschirmtexte hinzu und hat kleinere Neueren zu bieten. So wurden z.B. Sequenzen, wie die mit dem Wasserspeier am Anfang des Spiels um ein paar die vierte Wand brechende Dialogzeilen erweitert und einige Aufgaben im Schwierigkeitsgrad gesenkt. Neben der Bratpfanne hat Conker einen Baseballschläger mit einer sehr effektiven Dreierschlagkombo dazubekommen.
Grafisch wurde das Spiel auch verbessert – Conker, Berri und alle weitere Tiere, die ein Fell besitzen, haben nun in Echtzeit berechnete Haare.
Die Stellen, in denen Conker die Steuerung des Spiels erklärt, wurden für den Xbox Controller neuaufgenommen. Ansonsten wurden die Sprachaufnahmen der N64 Version in höherer Qualität wiederverwendet.
Eine unter Fans kritisierte Tatsache ist jedoch, dass die Dialoge des Remaster stark zensiert sind und das an Stellen, die in der N64 Version unzensiert zu hören waren. Das ist aber soweit (abgesehen von The Great Mighty Poo) nicht wirklich tragisch, da man sich denken kann, was die Figuren sagen wollen.
Die in der N64 Version vorhandenen Cheats wurden aus dem Spiel entfernt. Somit ist es u.a. nicht mehr möglich, alle Kapitel freizuschalten.
Live & Reloaded besitzt andere Multiplayer Modi und war über Xbox Live online spielbar. Die Server für das Spiel wurden 2010 abgeschaltet, über System Link mit Xlink Kai kann aber weiterhin online gespielt werden. Ein Spiel gegen die KI, im Spiel Dummbots genannt, ist weiterhin möglich.
Fazit
Wer auf schwarzen (und insbesondere vulgären) Humor steht, der kann mit Conker nichts falsch machen. Das Spiel lebt definitiv davon, dass man so wenig wie möglich im Vorfeld über einzelne Sequenzen weiß und alles auf sich zukommen lässt. Bereits in den ersten Spielminuten finden einige großartige Momente statt, etwa die Anspielung auf Clockwork Orange direkt im Intro.
Da die N64 Version preislich gesehen eine richtige Frechheit ist (die Cartridge wird ab 100 € verkauft, obwohl das Spiel mit knapp 770.000 verkauften Einheiten gar nicht mal so selten ist – Tony Hawk’s Pro Skater 3, das letzte Spiel für den N64, ist trotz einer geringen Auflage von knapp 300 produzierten Cartridges deutlich günstiger zu haben), ist Rare Replay eine willkommene Alternative. Noch besser ist es, dass man zusätzlich das Xbox Remaster entweder als Disk Version für knapp 30 € oder digital für 10 € kaufen kann und somit beide Versionen auf einer Konsole hat.
Conker’s Bad Fur Day – Retro-Review,Flo ist für seine unbeschreibliche Hingabe zur Age-of-Empires-Reihe und Rennspielen berühmt berüchtigt und füttert REPLAYING.de nach Lust und Laune mit coolen Beiträgen zu diesen Rubriken. Seine Pseudonyme ClassicGameingFan oder FloosWorld nutzt er auch auf seinen gleichnamigen YouTube-Kanälen - Vorbeischauen lohnt sich! Er hat 42 Artikel geschrieben.
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