Zwei Monate nach dem 20-jährigen Jubiläum von Age of Empires II lässt es Microsoft zusammen mit Forgotten Empires und der Definitive Editon zum beliebtesten Teil der Echtzeitstrategie-Reihe so richtig krachen. Was kann das Remaster? Was ist gut? Was ist schlecht?
Die Features im Überblick
- Alle Inhalte seit 1999*
- 4K (optional, als kostenloses DLC erhältlich, 16 GB Download)
- Stufenloser Zoom
- Neue Features: Intelligente Einheitenauswahl, Sicheres Löschen
- Überarbeitete Kampagnen und Soundtrack
- Überarbeiteter Netcode, der nun auf serverbasierten Multiplayer ausgelegt ist
* Mit Ausnahme der „El Dorado“-Kampagne, die nun durch eine Inka-Kampagne ersetzt wurde, sowie einigen Szenarioobjekten.
Gameplay
Das Gameplay ist so, wie man es von Age of Empires II gewohnt ist und bedarf keiner großen Erklärung: Basenbau mit Rohstoffabbau, Forschung und Ausbildung von Militäreinheiten. Interessanter sind dabei eher die Neuerungen.
Wie ein Frühjahresputz
Oberflächlich gesehen hat man hier immernoch das gleiche Spiel von 1999, das Gameplay wurde allerdings mit kleineren QOL-Features verfeinert: Command Queues erlauben es nun Dorfbewohnern genaue Anweisungen
darüber zu geben, was sie machen sollen (z.B. zwei Häuser bauen, dann in der Nähe der Mühle ein Feld anbauen), Felder und Reusen werden nun per Mausklick automatisch erneuert, Reusen haben zudem auch eine Einsaatwarteschleife bekommen, in der Rohstoffleiste steht, wie viele Dorfbewohner gerade welchen Rohstoff abbauen und wie viel von der Gesamtbevölkerung sie ausmachen, unter der Rohstoffleiste wird alles aufgezählt, was gerade erforscht und ausgebildet wird. Die Command Queues gelten auch für Militäreinheiten und ermöglichen es, z.B. Mönche, die eine Reliquie aufgesammelt haben sicher durch die Karte zu bewegen. Die Einheiten sind dank der Command Queues auch etwas intelligenter geworden, deutlich fällt das bei den Tribocken auf, die nun, wenn ein Ziel außer Reichweite ist, sich selbst einpacken und in Reichweite wieder aufbauen. Früher musste man das Einpacken manuell erledigen.
Das Feature, das am deutlichsten auffallen sollte, ist der Zoom, der es gestattet, nah an das Spielgeschehen heranzukommen. Wer noch weiter reinzommen möchte, kann das sogenannte „Graphic Enhancement Pack“ runterladen, das als kostenloses DLC daherkommt. Das DLC startet einen 16 GB-Download und fügt die 4K Texturen ein. Leider kam ich nicht in den Genuss das UHD-DLC auszuprobieren, da das Spiel hier nicht wirklich optimiert ist und bei mir im Benchmark hängen bleibt. Schade eigentlich, denn mein PC erfüllt die Mindestanforderungen für das DLC. Das Benchmark wird für die Freigabe der Ranglistenspiele genutzt, dazu muss man mindestens 1000 Punkte erreichen. (Update: Seit ich eine neue Grafikkarte und Monitor habe kann ich das Spiel nun auch mit dem UHD-DLC voll und ganz genießen. Das DLC wurde optimiert.)
Eine kleine Neuerung ist das Scrollen mit der rechten Maustaste.
Einheiten können nun alternativ auch mit defensiver Haltung statt der klassisch aggresiven Haltung erschaffen werden. Das ist insoweit sinnvoll, da es schon mal vorkommen kann, dass eine frisch erschaffene Einheit einem vorbeireitenden Späher vom Gegner hinterherläuft und nicht locker lässt.
Apropos Einheiten: neu ist ebenfalls die intelligente Einheitenauswahl. Diese erkennt automatisch, wenn in einer größeren Masse Dorfbewohner und andere zivile Einheiten sind und wählt diese nicht mit aus.
Wichtige Gebäude wie das Dorfzentrum, die Burg und das Weltwunder können nun auf Wunsch sicher gelöscht werden. Das ist in der Eifer des Gefechts wichtig, wenn man versehentlich auf den Entfernen-Knopf drückt. Dabei wird man gefragt, ob man das Gebäude wirklich abreißen möchte. Allerdings frage ich mich, warum nicht alle militärischen Gebäude (Kaserne, Schießanlage und Stall) als „wichtiges Gebäude“ eingestuft werden.
Neu sind auch vier Völker und drei Kampagnen. Die Bulgaren, Litauer, Kumanen und Tataren bringen die Zahl der Völker auf 35. Die Völker sind allesamt auf Kavallerie ausgelegt und bieten einige interesante Aspekte. So haben die Bulgaren mit dem Konnik eine berittene Einheit, die wenn sie getötet wird zu Fuß weiterkämpft und die Kumanen können ab der Feudalzeit eine Waffenschmiede bauen. Alle Völker haben nun ein spezielles Wappen bekommen, um so leichter erkennbar zu sein.
Die Schlachten der Eroberer und der Vergessenen werden nun als eine einzige Kampagne geführt.
Es gibt zudem eine weitere neue Kampagne, die dem Spieler die „Kunst des Krieges“ beibringen soll und damit als eine Art erweiteres Tutorial gilt. Hier wird dem Spieler in einigen Missionen einiges über die Grundlagen des Standardspiels beigebracht und es gibt ähnlich wie in z.B. Trackmania Medallien, die dem Spieler gegeben werden, wenn man das Missionsziel unter einem bestimmten Zeitlimit erfüllt.
Wo Mediallien sind, gibt es auch Achievements und diese sind im Vergleich zu Age of Empires II HD Edition deutlich weniger geworden. Das liegt daran, dass Achievements wie z.B. „Besiege Volk X 10-mal“ komplett entfernt wurden. Neue Achievements sind z.B. 300 Tribocke erstellen oder in den Kampagnen etwas bestimmtes machen (z.B. in der ersten Mission von El Cid alle Reliquien einsammeln). Ist man bei der Steam-Version mit dem Xbox-Account eingeloggt, spielt man die Achievements für Steam und Xbox Live frei.
Die Kampagnen selbst wurden überarbeitet und bieten nun laut Angabe der Entwickler 200 Stunden Spielzeit. Überarbeitet wurden einzelne Details auf der Karte und die Synchronisation. Die erste Mission von William Wallace verliert z.B. ihre Anspielung auf Ensemble Studios und den britischen Milizsoldaten im Wald, in der letzten Mission von Attila wird Westrom nun durch die Italiener anstatt der Byzantiner repräsentiert und so weiter. Am deutlichsten wurden die Kampagnen von „The Forgotten“ überarbeitet. Die Synchronisation ist mir in den ersten Spielstunden leider negativ aufgefallen, insbesondere bei William Wallace, da der alte Sprecher deutlich energischer war und der neue ungewohnt ruhig und ungestresst klingt. Man gewöhnt sich aber daran.
Anders als bei den vorherigen Versionen werden die Kampagnen nun nicht mehr nach Erweiterungspaket geordnet, sondern nach Kontinent. Die Cutscenes zu den Zwischensequenzen können nun wie bei den Kampagnen von Rise of the Rajas vor- und zurückgespult werden und man kann, falls man die falsche Mission gewählt hat, ohne Probleme in das Kampagnenmenü springen, ohne erstmal das Szenario laden zu müssen.
An der Benutzeroberfläche hat sich auch etwas getan: Diese ist wie bei AoE 1: DE nun skalierbar. Hohe Skalierungsstufen sind aber nicht zu empfehlen, da man ansonsten u.U. bereits in Auftrag gegebene Forschungen nicht mehr abbrechen kann. Der Button für untätige Dorfbewohner ist nach oben zur Rohstoffleiste gerückt und unten bei der Karte ist nun ein Button, mit dem der Anzeigemodus der Karte geändert werden kann. Man kann hier zwischen der normalen Sicht, einer vereinfachten Sicht, die die Höhenunterschiede grafisch darstellt und einer Sicht ohne alles wählen. Das ist unter anderem Nützlich, um Objekte wie Reliquien (auf der Karte als weißer Punkt dargestellt) schneller finden zu können.
Weitere kleinere Änderungen sind mehrere Anpassungen in den Übersetzungen. Die byzantinische Spezialeinheit wird nun in der deutschen Version genauso wie in der englischen als „Kataphrakt“ bezeichnet, die Kriegsgalleone ist nun das „Kannonenschiff“ usw.
Gebäude stürzen wie bei der Definitive Edition zu Age of Empires 1 in sich zusammen, anstatt wie früher unspektakulär zu einem Schutthaufen zu explodieren. Getötete Einheiten bluten wahlweise und versinken in den Boden anstatt wie früher langsam zu einem Skelett zu verwesen.
Unter’m Strich bleibt hier zu sagen, dass sich die Definitive Edition mit einem Regal vergleichen lässt, dessen Staub entfernt wurde: Das Spiel erstrahlt in neuem Glanz. Vergleichbar ist das ungefähr mit den Remaster, die Nightdive Studios veröffentlicht.
Das Ohr spielt mit
Für die Definitve Edition wurde auch schon wie beim ersten Teil der Soundtrack komplett neuaufgenommen. Bemerkenswert ist hierbei, dass erstmals seit der Demoversion auch die beiden Stücke „Bust (Give the Drummer Some Mix)“ und „Gyam Shorts“ enthalten sind, sowie mit „Joey JoJo“ die Variante des bekannten AoE-Themes aus einer der frühen Betaversionen.
In den Optionen hat man mehrere Möglichkeiten, wie man den Soundtrack abgespielt haben möchte. So kann man beispielsweise völkerspezifische Stücke abspielen lassen.
Die Soundeffekte wurden ebenfalls überarbeitet, man erkennt sie aber alle wieder. Leider fehlten zu Release und beim ersten Patch vom 15. November 2019 die Sterbesounds der meisten Einheiten. Überarbeitet wurden ebenfalls die Völkerthemes, die nun eine stolze Gesamtzeit von 30 Minuten haben.
Neu sind Musikstücke für den Kampagnenbildschirm sowie für den Multiplayerbereich. Dort war es früher stumm. Allerdings frage ich mich, warum diese Stücke nicht im offiziellen Soundtrack verkauft werden.
Die KI
Die Definitive Edition vereinigt alle offiziellen KIs, die seit 1999 erschienen sind. Die neuste KI nutzt vorallem auf höheren Schwierigkeitsgraden Taktiken, die bei Profispielern bekannt sind und wirkt deutlich intelligenter. Mithilfe der neuen Chatbefehle kann man die KI nun auch diverse Sachen anweisen, wie etwa mit einem Onager bei einem Leuchtsignal eine Schneiße in den Wald zu schlagen oder mit bestimmten Einheitentypen anzugreifen. Die KI chattet hin und wieder auch mit dem Spieler und schreibt am Anfang des Spiels, wo sich laut ihrer Vermutung einer der Gegner befindet. Der sinnvollste Befehl ist wohl 47 (Greife beim Leuchtsignal an).
Laut Entwicklerangaben soll die neue KI anders als die von The Conquerors auch nicht mehr schummeln und keine Rohstoffboni mehr bekommen.
Apropos Schwierigkeitsgrad: mit „Extrem“ ist ein neuer hinzugekommen.
Hotkeys
Hotkeys sind der Schlüssel zum schellen Schalten im Laufe einer Partie von Age of Empires II. Die Defintive Edition bietet mit den Layouts von The Conquerors, der HD Edition sowie den neuen drei Verschiedene Hotkeys aus allen Generationen des Spiels.
Die neuen Hotkeys gehen ganz gut von der Hand, allerdings sind diese auf das englische Tastaturlayout ausgelegt und müssen erstmal von Hand auf das deutsche Layout umgestellt werden. Ich rede hierbei von dem Y und Z, was bei beiden Tastaturen vertauscht ist.
Der Multiplayer
Bis zur HD Edition hat Age of Empires II auf das alte Peer-To-Peer System gesetzt. Das bedeutet, dass das Spiel am PC des Hosts gestellt wird und ein laggender Mitspieler das komplette Spiel kippen kann. Zur Definitive Edition wurde der Netcode auf serverbasierten Multiplayer umprogrammiert. Mehrere Server auf der ganzen Welt sowie ein LAN Server stehen nun zur Verfügung. Lags gibt es hier zwar auch noch, aber sind diese weitaus weniger dramatisch als noch früher, da diese nur das Spiel verlangsem, aber nicht zum Absturz führen. Dafür müssen die Server wöchentlich gewartet werden.
Der Zuschauermodus nimmt nun keine Spielerplätze mehr ein und ermöglicht es damit Spiele mit bis zu acht Spielern zu beobachten. Dabei hat der Modus auch einige Features aus dem Userpatch übernommen und zeigt live in der Ansicht, wie die Statistiken der Mitspieler sind. Ich sehe hierbei Potenzial bei Turnieren, die über die Definitive Edition ausgefochten werden, da man damit wohl dann den Livestream sehen kann und gleichzeitig im Zuschauermodus einen Blick auf alle Mitspieler hat.
Neu ist die Möglichkeit, eigene Clans mit bis zu 50 Mitgliedern zu erstellen. Eine Rangliste ist ebenfalls mit dabei.
Die Definitive Edition unterstützt optionales Crossplay zwischen Spielern der Steam-Version und der Windows Store-Version. Allerdings müssen dafür beide Versionen auf dem gleichen Stand sein. Xbox Live Spieler werden mit dem Xbox Logo markiert.
Der Ranglistenmodus setzt auf Matchmaking und bietet zwei Spielmodi: normale Zufallskarte und Deathmatch. Die Kartenauswahl wird dabei von den Entwicklern vorgegeben.
Die E3- bzw. Gamescom-Mission
Als kleines Goodie enthält die Definitive Edition die Mission, die man auf der E3 und Gamescom spielen wollte. Hier hat man 300 Jahre (mit Spieleinstellungen ca. 15 Minuten) Zeit, als Byzantiner verschiedene Gegner auf einer Karte auszuschalten. Erreichte man auf der E3 mindestens 4000 Punkte, gab es ein T-Shirt geschenkt. Die Mission ist in den Spieldateien versteckt und muss in den Szenario-Ordner verschoben werden.
Wie sieht es mit Windows 7 und Windows 8.1 aus?
Gute Nachrichten! Die Entwickler unterstüzten zwar nur offiziell Microsofts aktuellstes (und letztes) Betriebssystem, haben aber zumindest bei der Steam-Version dafür gesorgt, dass man mit kleineren Anpassungen unter den älteren Systemen spielen kann. Testen konnte ich das allerdings nicht, weil mein Windows 7-Laptop die Anforderungen des Spiels nicht erfüllt, wenn man aber den Nachrichten im Steam-Forum glauben darf, funktioniert das Spiel ohne Probleme. Mac-Nutzer berichteten ebenfalls, dass sie das Spiel mit Bootcamp zum Laufen gebracht haben. Wie es bei Linux aussieht, weiß ich nicht.
Modsupport ohne Workshop und Advanced Genie Editor
Die Definitive Edition verzichtet offiziell auf Steams Workshop, das beduetet aber nicht, dass sie ohne Modunterstüztung bleibt. Als Ausgleich gibts dafür eine ins Spiel eingebaute Sektion, auf die Nutzer beider Plattformen gleichermaßen zugreifen können. Das Modmenü ist wie der Workshop bedienbar. Die Mods werden über die offizielle Seite ageofempires.com gehostet und es soll ein Tool geben, mit dem man Szenarien der HD Edition in die Definitive Edition übertragen kann. Szenarien der alten CD Version sollen ohne weiteres funktionieren.
In den Spieldateien findet man mit dem Advanced Genie Editor zudem ein mächtiges Modwerkzeug, mit dem man das Spiel bis aufs Detail verändern kann. Der Editor untersützt alle Spiele, die auf Ensemble Studios „Genie“-Engine basieren.
Performance
Die Definitive Edition macht eine gute Figur – aber nicht bei allen Spielern. Multiplayerprobleme halten Spieler fern das Spiel mit anderen Spielern zu spielen, während der Einzelspieler bei jedem funktioniert. Andere berichten gar, dass die Definitive Edition bei ihnen überhaupt nicht funktioniert und ständig crasht. Mal sehen, was da zukünftige Patches bringen. (Update: Das soll wohl größtenteils behoben sein.)
Meinung & Fazit
Mir gefällt die Definitive Edition richtig gut. Wie auch schon bei der Definitive Edition zum ersten Teil ist es Forgotten Empires gelungen, den Klassiker in neues Gewand zu stecken und damit das Spiel richtig frisch aussehen zu lassen. Und abgesehen von Performanceproblemen macht das Spiel nach wie vor genauso Spaß wie auch schon vor 20 Jahren.
Ich kann die Definitive Edtion uneingeschränkt jedem empfehlen, der Age of Empires 2 mal in irgendeiner Art und Weise gespielt hat, sowie Neulingen im Genre. Die Lernkampagne tut wie auch schon 1999 ihren Dienst und erklärt alles, was man wissen muss, um Anfangs Partien gegen den Computer auf niedrigeren Schwierigkeitsgraden zu spielen. Experten werden mit der „Art of War“-Kampagne ihre Freude haben, da sie dort ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen können.
Vor Release konnte man die Definitive Edition mittels Cupon, der Besitzer der HD Edition ausgehändigt wurde mit einem Rabatt in Höhe von 25 % kaufen. Seit dem 14.11.2019 bekommt man die Definitive Edition allerdings immernoch für den gleichen Preis, wenn man entweder das Bundle mit der HD Edition oder mit Age of Empires 1 kauft. Wer sich für den Vorgänger interessiert, kann letzteres kaufen.
Age of Empires II: Definitive Edition - Review,Flo ist für seine unbeschreibliche Hingabe zur Age-of-Empires-Reihe und Rennspielen berühmt berüchtigt und füttert REPLAYING.de nach Lust und Laune mit coolen Beiträgen zu diesen Rubriken. Seine Pseudonyme ClassicGameingFan oder FloosWorld nutzt er auch auf seinen gleichnamigen YouTube-Kanälen - Vorbeischauen lohnt sich! Er hat 42 Artikel geschrieben.
Bleibt einfach neben Warcraft und C&C ein Meilenstein im Strategie genre und da wird sich so schnell auch nichts mehr ändern 🙂